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    Baustellen- und Lebensmittellogistik auf sechs Beinen

    Man denkt, Logistik sei etwas zutiefst Menschliches. Stimmt. Aber auch Tiere sind ständig unterwegs auf dem Land-, Luft- und Seeweg. Sie bilden Versorgungsketten und benutzen Lager.

    Andreas Pietsch /

    Ameisenstraßen haben etwas Faszinierendes. Wer beobachtet, wie Hunderte von Insekten eine eng geschlossene Transportlinie bilden, bekommt einen neuen Begriff von „Versorgungskette“ (Supply Chain). Auf Ameisenstraßen bewegt sich eine schier nicht abreißen wollende Kette von unbeladenen Arbeiterinnen auf dem Weg zur Futterstelle – und vice versa ein durchgängiger Warenfluss zurück in Richtung Ameisenbau.

    Power aus Biomasse

    Was die emsigen Tiere treiben, kann man je nach Ladung als Lebensmittel- oder auch Baustellenlogistik bezeichnen. Einerseits versorgen sie ihren Ameisenhügel mit Nahrung für mitunter zwei Millionen und mehr Individuen. Anderseits transportieren sie Material für den Bau und Ausbau ihrer Wohnstätte: Fichten- und Kiefernnadeln, Rindenmaterial, kleine Holzstücke.

    Die nötige Power für ihre anstrengenden Transport(dienst)leistungen gewinnen Ameisen aus Biomasse. Dieser Kraftstoff ist nachhaltig, CO2-frei und sein Verbrauch führt im Nebeneffekt dazu, dass der Waldboden von Pflanzen- und Tierresten gereinigt wird.

    Die Geschwindigkeit, mit der Ameisen ihre Fracht in den Bau befördern, ist atemberaubend. Zum Beispiel die Kahlrückige Waldameise Formica polyctena. Sie schafft 26 Körperlängen pro Sekunde. Übertragen auf einen rund 18 Meter langen Lkw sind das 468 Meter pro Sekunde. Der Schall schafft gerade mal 343 Meter.

    Kein Verkehrsstau

    Das Verhältnis Eigengewicht und Zuladung bei Ameisen versetzt Lkw-Konstrukteure in Staunen, denn: Ameisen schleppen das 40-fache ihres Gewichts mit sich herum.

    Apropos Verkehrsinfrastruktur. So etwas wie Stau oder überlastete Ameisenstraßen kennen die Insekten nicht. Während die Menschen sich zur Rushhour durch enge und verstopfte Nadelöhre ärgern, schaffen die sechsbeinigen Krabbelviecher bei hohem Verkehrsaufkommen einfach eine neue Ausweichstrecke. Dazu zweigen ein paar Ameisen vom überfüllten Weg ab und bilden – ohne Planfeststellungsverfahren – eine Entlastungsstraße. Die Artgenossen folgen ihrem Vordertier ähnlich wie unsereins der Stimme aus dem Navigationssystem.

    Der schnelle Straßenneubau im Tierreich mag bei humanen Verkehrsplanern blanken Neid auslösen. Doch bitte kein vorschnelles Urteil! Bei Lichte betrachtet sind die Ameisen nämlich ziemlich arme und entmündigte Würstchen. Beim Straßenbau haben sie ebenso wenig Mitspracherecht, wie bei der Frage, welcher Königin sie dienen wollen.

    Ladungsverlust erwünscht!

    Zurück auf die Ameisenstraße. Unterwegs geht den Tierchen hin und wieder mal was verloren. Stichwort Ladungsverlust. Allerdings ist das bei Waldameisen eher ein wünschenswerter Nebeneffekt. Beim Lkw führt unzureichende Ladungssicherung mitunter zu einer saftigen Strafe. Dagegen müssten schusselige Waldameisen von den Forstbehörden eigentlich eine Auszeichnung erhalten. Denn bei ihnen heißt Ladungsverlust oft nichts anderes, als dass ihnen unterwegs die Samen von Waldbewohnern stiften gehen und diese sich dann zugunsten der Biodiversität ausbreiten. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Waldameisen das Saatgut von rund 150 Pflanzenarten im Wald verteilen.

    Was unterwegs nicht verloren geht, wird im Ameisenbau zugestellt. Eine Wareneingangskontrolle klassischer Prägung kennen die ankommenden Transporteure nicht – und Wartezeiten an der „Rampe“ schon gar nicht. Allerdings gibt es einen kompromisslosen Werksschutz. Wer nicht zum Staat gehört und sich trotzdem Zutritt verschaffen will, muss damit rechnen, dass ihn die aggressiven Wächterinnen arg piesacken.

     

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